Mit einem Tiger schlafen
Maria Lassnig (Birgit Minichmayr) kennt keine Kompromisse. Die Malerin verlangt vor der Eröffnung, dass ihre Werke umgehängt werden. "Die Bilder müssen strahlen", sagt sie energisch. Da ist sie bereits eine etablierte Künstlerin, deren Gemälde in den großen Museen der Welt hängen. Es war ein weiter Weg dorthin und ein Ringen um Anerkennung: erst um die der Mutter (Johanna Orsini), damals als Kind im österreichischen Kappel am Krappfeld; dann später um die der Galeristen. Weil ihre Werke so obszön und anders sind, werden sie in einer Ausstellung verhängt und schließlich kämpft sie um den Respekt des Marktes: Nicht selbstverständlich in einer Szene, in der eine Frau dreimal so hart arbeiten muss wie ein Mann um eben diese gleiche Anerkennung zu bekommen. Maria Lassnig klagt dies ihrem zehn Jahre jüngeren Freund Lukas Watzl (Hans Werner Poschauko), der selbst Künstler ist. Er geht danach zum Feiern. Sie malt. Auf dem Boden liegend, sich scheinbar mit ihrer Kunst und ihren Farben vereinigend. Wie in einem ihrer berühmtesten Bilder. "Mit einem Tiger schlafen" heißt es.
Anja Salomonowitz hat den Titel MIT EINEM TIGER SCHLAFEN für ihr Porträt der Maria Lassnig (1919 bis 2014) gewählt. Es gibt Interpretationsspielraum, wer der Tiger in dem Biopic ist. Denn die Regisseurin legt es gar nicht darauf an, alle Fragen, die das Leben und Wirken der Malerin aufwirft, erschöpfend zu beantworten. Was jedoch keine Frage ist: Birgit Minichmayr bietet große Schauspielkunst. Sie will nicht so aussehen wie Maria Lassnig. Sie will Maria Lassnig sein. Ohne Schminke und Retusche spielt sie die Malerin in allen Phasen des Lebens. Ob als Sechsjährige, als 18-Jähige oder 94-Jährige. Anja Salomonowitz mischt dokumentarisches Material und animierte Sequenzen ein. Maria Lassnig war nicht irgendwer, der Film über sie ist nicht irgendwie.
Österreich 2024
Regie: Anja Salomonowitz
Darsteller: Birgit Minichmayr, Johanna Orsini, Oskar Haag u.a.