Führer und Verführer
Bis eben hat Joseph Goebbels (Robert Stadlober) Volk und Welt glauben gemacht: Deutschland strebe nach Frieden. Da eröffnet ihm sein Führer (Fritz Karl) im Jahr 1938: Er will den Krieg. Der Propagandaminister verdreht und verzeichnet die Fakten, bis sie in dieses neue Bild passen. Das Wort Bild trifft es übrigens ganz gut, denn Goebbels sieht Propaganda als Kunstform wie die Malerei. Privat hat der Familienvater ebenfalls Probleme. Hitler verlangt, dass er sich von der tschechischen Geliebten Lida Baarova (Katia Fellin) trennt. Auf die Vorzeigeehe mit Magda Goebbels (Franziska Weisz) darf kein Schatten fallen. Goebbels fügt sich und inszeniert akribisch das nationalsozialistische Familien- und Führerbild. Seinen großen Auftritt hat der Einpeitscher am 18. Februar 1943, als er im Berliner Sportpalast eine euphorisierte Masse auf den totalen Krieg einstimmt.
Er sei es, der den Führermythos geschaffen habe, sagt Joseph Goebbels in Joachim Langs Dokudrama FÜHRER UND VERFÜHRER. Der Regisseur liefert den Beweis dafür noch bevor die Leinwand hell wird. Gleich zu Beginn hört man eine private Tonaufnahme von Adolf Hitler. Die Stimme, eines entspannt sprechenden Mannes unterscheidet sich grundlegend von dem Tonfall, den man automatisch mit Hitler verbindet. Der Film enthüllt wie perfide diese bis heute wirksame Inszenierung geplant wurde. Lang will mehr dabei als Zeitgeschichte erzählen.
Seine Verbindung aus Spielszenen (unter anderem mit einem Besuch von Hans Rühmann bei Familie Goebbels) und Originalaufnahmen folgt dem Gedanken der Aufklärung: So wurden damals die Menschen getäuscht und aufgehetzt. Wie ist es da erst heute, wenn keinem Bild zu trauen ist und sich Staatsmänner ungeniert und weltweit zugänglich die Fakten zusammenlügen? Diese Lügen haben lange Arme. In FÜHRER UND VERFÜHRER kommen Holocaust-Überlebende wie Margot Friedländer zu Wort und entlarven die vermeintliche Kunstform als was sie ist: Beihilfe zum Mord.
Deutschland 2023
Regie: Joachim A. Lang
Darsteller: Robert Stadlober, Fritz Karl, Franziska Weisz u.a.