Die Bologna-Entführung - Geraubt im Namen des Papstes

Die Soldaten des Papstes kennen keine Gnade. Im Jahr 1858 dringen sie in das Haus der Familie Mortara im jüdischen Viertel von Bologna ein. Sie entreißen den entsetzten Eltern den siebenjährigen Sohn Edgardo (als Kind: Enea Sala Pierobon, als Junge: Leonardo Maltese). Dass der Vater (Fausto Russo Alesi) droht, das Kind aus dem Fenster zu stürzen, beeindruckt sie nicht. Das Kirchenrecht wissen sie auf ihrer Seite. Der Junge sei heimlich getauft worden. Damit ist er katholisch und kann nicht bei seinen jüdischen Eltern aufwachsen. Edgardo wird im Sinne der Kirche erzogen. Die Eltern wollen ihr Kind zurückholen. Die Weltöffentlichkeit interessiert sich für den Fall. Doch Papst Pius IX (Paolo Pierobon) bleibt hart. Das Kind gehört der Kirche.

Der inzwischen 83-jährige Regisseur Marco Bellocchio arbeitet in seinem Drama DIE BOLOGNA-ENTFÜHRUNG (RAPITO) einen historischen Skandal auf. Ähnlich wie bei der Dreyfus-Affäre sorgte das päpstlich abgesegnete Kidnapping des Edgardo Mortara für internationales Aufsehen. Dabei spielte die Ablösung von Teilen Italiens aus der Herrschaft der Kirche eine Rolle. Bologna gehörte 1858 noch zum Kirchenstaat. Der Fall Edgardo bekam damit auch eine politische Dimension. Der opulent inszenierte Kostümfilm webt auch diesen Faden in sein Handlungsgeflecht ein. Darüber hinaus behält Bellocchio die persönlichen Auswirkungen im Auge: das Leid der Eltern und die Entfremdung des Kinds. Edgardo wird später Priester und ein treuer Gefolgsmann des Papstes. In einem wie ein Gemälde stilisierten Moment des Films sitzt das Kind auf dem Schoß des Papstes. Der Mutter Kirche fühlt er sich inzwischen näher als seiner leiblichen Mutter.

 

Italien 2023

Regie: Marco Bellochio

Darsteller: Paolo Pierobon, Fausto Russo Alesi, Barbara Ronchi u.a.

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Ab 12 Jahren  |  134 Minuten