Wer wir sind

Marlene Dietrich schaut... auf das wartende Kinopublikum - kunst- und huldvoll. Ihre Bilder aus der Filmgeschichte geben der Fassade eines der ältesten Kommunalen Kinos Deutschlands programmatischen Charakter. Denn Kino kann mehr sein als Ablenkung vom Alltag, kann die Wirklichkeit neu und anders sehen, kann hinter einen vermeintlich schönen Schein schauen. Die Sichtweise weckt Interesse. Kinofreunde aus der ganzen Region suchen und finden ein anspruchsvolles Filmprogramm am Duisburger Dellplatz.

Am Anfang - also 1959 firmierte die Volkshochschule Duisburg noch unter dem Namen "forum". So lag es nahe, Veranstaltungen zu filmkulturellen Themen unter dem Titel „filmforum“ anzubieten. Die Initialzündung dazu waren die neuen Werke von Ingmar Bergman, die man sich nicht nur anschauen, sondern auch diskutieren wollte. Elf Jahre später, 1970, wählte der SPD-Politiker und spätere Oberbürgermeister Josef Krings eine ungewöhnliche Methode, seine Ratskollegen von der Notwendigkeit institutioneller Filmarbeit zu überzeugen. Man muss dazu wissen, dass das deutsche Kino zu dieser Zeit von Pauker- oder Lümmelfilmen und Schulmädchen-Reports dominiert wurde und die waren Lichtjahre entfernt von jedem

künstlerischen Anspruch. Krings griff während einer Kulturausschusssitzung zu einer Tageszeitung und las laut vor, was an diesem Tag in Duisburgs Kinos geboten werden sollte. Große Kunst kann es nicht gewesen sein. Am Ende des Vortrags stimmten die Ratsmitglieder -als erste in Deutschland- der Gründung eines Kommunalen Kinos unter dem Dach der VHS zu. Zum Start am 27. September 1970 brachte „Wenn die Kraniche ziehen“ von Michael Kalatosow Licht in die dunkle Duisburger Kinolandschaft. Die Premiere feierte man noch im großen Saal der VHS, bevor man in das „Studio M“ der damaligen Mercatorhalle zog.

1980 fand man ein eigenes Heim am Dellplatz. In dem nach dem Krieg wieder aufgebauten Haus mit langer kultureller Geschichte befand sich seit den späten 1940er Jahren auch ein Kino. Das filmforum richtete sich dort ein, verwöhnte seine Gäste mit dem gemütlichen historischen Ambiente und forderte es mit Filmreihen, Vorträgen und zahlreichen Diskussionen dazu heraus, das Kino als Kunst zu entdecken. Nicht nur Filmfreunde aus Duisburg kamen zum neu belebten Dellplatz, der in den folgenden Jahren auch Heimat für andere kulturelle Einrichtungen und Kneipen wurde. Das filmforum nutzte den Neustart und wurde schon bald mehr als eine reine Abspielstätte. Im Laufe der Jahrzehnte trug es eine Sammlung von alten Kinoschätzen zusammen. 

Ein visuelles Gedächtnis  Heute gibt es zu rund 11.000 Filmtiteln zigtausende z.T. historische Plakate, Fotos oder Programmhefte. Neben Filmliteratur, alten Projektionsgeräten oder Filmkameras birgt die Schatztruhe des filmforum-Archivs echte Perlen der Filmkunst: Eine Filmrolle mit dem ersten Hund als Kinohelden konnte man ausfindig machen und den Klassiker „Gerettet von Rover“ aus dem Jahr 1905 archivieren. Gut sortiert lagern in den Regalen des Kommunalen Kinos neben Kopien von David W. Griffith Monumental-Epos „Birth of a Nation“ sehr seltene Streifen mit den Musiken des großen Komponisten Dmitri Schostakowitsch. Und selbst bewegte Bilder aus dem Geburtsjahr des Films 1895 fehlen nicht.

Meilensteine der Kinogeschichte verwahrt das filmforum genauso sorgsam wie die filmischen Dokumente zur Stadthistorie - neuerdings digital auf Festplatten und immer noch klassisch schonend im Klimarchiv, das das Zelluloid vor dem Verfall bewahren soll. 
Filmische Zeitreisen  Stadthistorie auf der Leinwand entwickelte sich in den 1980er Jahren zum Kassenschlager. Der bislang in den Archivregalen schlummernde Schatz mit vielen Filmen zur Geschichte Duisburgs verdiente mehr Öffentlichkeit. Das Kommunale Kino begann so Programme für die eigene Leinwand zu produzieren. Zwei Filme entstanden „Duisburg – 1914/45“ und „Duisburg – 1945/66“.

Duisburger Filmwoche  Duisburgs bekanntesten Filmfestspielen bieten die Dellplatzkinos und die filmwerkstatt des filmforums eine perfekte Basis. Das wichtigste Festival für den deutschsprachigen Dokumentarfilm besitzt international ein hohes Renommee, von entsprechender Bedeutung sind die technischen wie räumlichen Möglichkeiten, die das filmforum ihm bieten kann.

Sommerkino in einmaliger Kulisse  Ein Filmfest ganz anderer Art ist das „Stadtwerke-Sommerkino“, das seit 1996 jährlich bis zu 45.000 Besucher zu filmischer Sommerfrische vor den Hochofen im Landschaftspark-Nord lockt. Den Zuschauer erwartet eine unwiderstehliche Mischung aus aktuellen Hits, Klassikern und Kultfilmen und wenn mit Ende jeder Kinovorstellung die Illumination des weltbekannten Licht-Magiers Jonathan Park die nächtliche Kulisse des Hüttenwerks in ein bizarres Farbenmeer taucht, ist die Grenze zur Magie nicht mehr weit. Das filmforum als Organisator zusammen mit dem Veranstalter, dem Landschaftspark Duisburg-Nord, hat das Open-Air-Vergnügen zu einem Blockbuster gemacht.

Andere Filme – anders zeigen: Was dies bedeutet, mögen vielleicht einige Beispiele deutlich machen. Nach langwierigen Recherchen spürte das filmforum die verloren geglaubte Filmmusik zu dem Ernst Lubitsch-Klassiker „Madame Dubarry“ in New York auf. Das filmforum plant und organisiert zu allen großen Kulturfestivals der Stadt Film- und Medienprogramme. Ein Schwerpunkt der Arbeit des kommunalen Kinos liegt aber auf der Vermittlung. In Angeboten wie Kinderkino, Schulkino oder Workshops besuchen im Jahr über 8.500 Kinder und Jugendliche das filmforum. Immerhin 10% der Menschen, die jährlich im Kino am Dellplatz zu Gast sind. Für uns ein guter Grund stolz zu sein.

filmwerkstatt. Seit 2017 hat das filmforum einen "Ort der Arbeit". Nach oder vor dem Kino lässt sich dort auf intensivere Weise mit dem Medium "Film" beschäftigen. Genutzt wird die filmwerkstatt für Fachgespräche, Lesungen, Vorträge, Konferenzen oder Workshops. In ihr hat zum Beispiel unser jährlich in den Herbstferien stattfindender Workshop für Jugendliche „Wie lebst DU?“ seine Heimat gefunden. Dann arbeiten dort Schüler in ihrer Freizeit an einem eigenen Film. Bei der Konzeption und Produktion werden sie von Medienpädagogen unterstützt. Das Aufnahmemedium muss ihnen dabei niemand erklären - gedreht wird immer mit einem Handy. Auch unser Förderverein hat die einladende, mit Archivkopien und Vitrinen ausgestattete Räumlichkeit für sich entdeckt - als kleine Oase für Cineasten. 

Das Kino ist Kunst und war ihre bedeutendste Ausdrucksform im 20. Jahrhundert. Keine andere ist unserer menschlichen Wahrnehmung näher, keinem Bild glauben wir lieber als dem bewegten. Als Teil einer sich wandelnden Medienindustrie wird das Kino in Zukunft eine veränderte Rolle spielen. Denn die Medienwirtschaft wird direktere, digitale Vertriebswege als Teil Ihres Geschäftsmodells forcieren, um Gewinne schneller verfügbar zu machen. Das Filmtheater wird dennoch bleiben, denn nur im Dunkel des Kinoraums kann Filmsprache zu Magie, können Phantasien vermeintlich greifbar werden - als Illusionen von Angst, Trauer, Erlösung oder Glück. Das kommunale Kino hat sich dem Erhalt dieser Form des Geschichtenerzählens verschrieben, wird immer Bewahrer dieser Kunst bleiben.