Forschungsprojekt: Ein Palast in Duisburg

Was für ein Anblick! Bis zum 9. April 1943 gab es in der damaligen Stadt Montan ein wahrlich majestätisches Lichtspieltheater, das nahezu vollends in Vergessenheit geraten ist.

Der in Duisburg aufgewachsene deutsch-australische Schriftsteller Walter Kaufmann beschreibt den Mercator Palast in seinem Roman „Flucht“ als „... Kino aller Kinos, wo ich in einer einzigen wunderbaren Woche alle Trenker-Filme gesehen hatte, und eines Sonntagmorgens auch jenes Kulturprogramm über Tibet, das ich nie vergaß.“(*1) In einem Gespräch mit uns erinnert er sich an diese Leinwand als sein „Tor zur Welt“.

Der Mercator Palast war ein Filmtheater und Erstaufführungshaus von ungewöhnlicher Opulenz mit 1.200 Sitzplätzen, gelegen an Duisburgs prominentester Adresse, der Königstraße. Genauer gesagt an der Hausnummer 41. Sowohl auf als auch vor der Leinwand gab es Erstaunliches zu betrachten. Noch vor seiner Eröffnung hatten die Bauherrenfamilie Carstanjen und die eigens gegründete Betreibergesellschaft in einem Schreiben vom 25. September 1928 an den Stadtausschuss zu Duisburg ihre ehrgeizige Idee zu Papier gebracht: „Der Spielplan des Theaters, wie der äußere und innere Rahmen des Gebäudes sind darauf berechnet, ein führendes Unternehmen im rheinisch-westfälischen Industriegebiet darzustellen.

© Privatsammlung Stausberg

© Privatsammlung Stausberg

Nach seiner Eröffnung am 29.06.1929 erfüllte das nun erste Haus am Platz den hohen Anspruch vollends. Kulturfilme, Kleinkunstprogramme und Vorträge auch international renommierter Wissenschaftler fanden im Mercator Palast statt.

Mit der sog. Machtergreifung wurde der Spielplan zielgerichtet für politische Zwecke instrumentalisiert. Film war das unumstrittene Leitmedium dieser Zeit und das bewegte Bild meinungsbildend. Heute kaum noch nachvollziehbar - eine Milliarde Kinozuschauer zählte Deutschland zu Beginn der 1940er jährlich und der Mercator Palast war zum alleinigen Erstaufführungstheater der Ufa in Duisburg geworden. Im März 1942 fand dort die internationale Premiere von „Zwischen Himmel und Erde“ statt, die Erstaufführung in Berlin dagegen erst im Juni des gleichen Jahres. Ein Jahr später war der Mercator Palast Vergangenheit. Ein britischer Bombenangriff zerstörte das Lichtspielhaus, das nie wieder aufgebaut werden sollte.

 

Duisburg geblieben ist die bislang nicht dokumentierte Historie eines Filmtheaters, die auch als Parabel für eine Stadtgesellschaft gesehen werden kann. Das filmforum hat die Geschichte des Mercator Palastes mit Unterstützung des "Zentrum für Erinnerungskultur. Menschenrechte und Demokratie" über Jahre recherchiert, um sie der Öffentlichkeit in Vorträgen und Publikationen zugänglich zu machen.

 (*1) „Flucht“; Walter Kaufmann, Mitteldeutscher Verlag Halle, Leipzig 1984

 

 

Amerikanische GIs gehen 1945 über die Hohestraße auf den zerstörten Mercator Palast auf der Königstraße zu
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